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Neues Aktienrecht – Statutenänderung notwendig?

Neues Aktienrecht ab 01.2023

Das neue Aktienrecht ist am 1. Januar 2023 in Kraft getreten. Es stellt sich für die Aktiengesellschaften die Frage, ob Massnahmen aufgrund der neuen Rechtsgrundlagen zu ergreifen sind, insbesondere ob die Gesellschaftsstatuten angepasst werden müssen. Artikel 2 der Übergangsbestimmungen gibt den Gesellschaften eine Frist von zwei Jahren, ihre Statuten und Reglemente dem neuen Recht anzupassen. Bestimmungen der Statuten und Reglemente, die mit dem neuen Recht nicht vereinbar sind, gelten bis zur Anpassung, längstens aber noch zwei Jahre nach Inkrafttreten des neuen Rechts weiter.

Im neuen Aktienrecht sind verschiedene neue Bestimmungen aufgenommen worden, welche für die konkrete Umsetzung einer statutarischen Grundlage bedürfen:

1. Aktienkapital in Fremdwährung

Seit dem 1. Januar 2023 kann das Aktienkapital einer schweizerischen Aktiengesellschaft auch auf eine Fremdwährung lauten. Der Gegenwert muss mindestens 100’000 Schweizer Franken entsprechen. Die Einführung eines Grundkapitals in Fremdwährung bedarf einer entsprechenden statutarischen Grundlage.

Mit dieser Bestimmung nicht zu verwechseln ist die Zulässigkeit auch die Buchführung (Art. 957a Abs. 4 OR) sowie die Erstellung der Jahresrechnung (Art. 958d Abs. 3 OR) in der für die Geschäftstätigkeit wesentlichen Währung zu erstellen. Die Währung für die Buchführung und Rechnungslegung (Präsentationswährung) muss nicht zwingend mit jener des Aktienkapitals (funktionale Währung) übereinstimmen.

2. Kapitalband

Die Einführung eines Kapitalbandes bedarf neben einer statutarischen Grundlage zwingend eine eingeschränkte Revision. Ein Opting-out ist in diesem Falle nicht mehr nötig. Wer also das neue Instrument eines Kapitalbandes einführen möchte, muss sicherstellen, dass die Gesellschaft eine gesetzliche Revisionsstelle gewählt und im Handelsregister eingetragen hat.

3. Beabsichtigte Sachübernahme

Die beabsichtigte Sachübernahme (Art. 628 Abs. 2 a OR) als qualifizierter Gründungstat-bestand ist aus dem Gesetz gestrichen worden. Bisher musste eine beabsichtigte Sachübernahme bei der Gründung in die Statuten aufgenommen und nach deren Realisierung wieder aus den Statuten gelöscht werden.

4. Reservenzuweisung

Ins neue Recht ist im bisherigen Artikel 671 neue die gesetzliche Kapitalreserve aufgenommen worden. Dieser sind insbesondere das Agio bei der Ausgabe von Aktien, Kaduzierungsgewinne und durch Aktionäre geleistete Kapitaleinlagen und Zuschüsse zuzuweisen. Gleichzeitig wurde die sogenannte «zweite Zuweisung» bei Dividenden über 5% des Jahresgewinnes gestrichen.

5. Delegation der Geschäftsführung

Führt der Verwaltungsrat die operativen Geschäfte der Gesellschaft nicht selber, delegiert er diese an einzelne Mitglieder des Verwaltungsrates oder an Drittpersonen. Diese Delegation bedurfte bisher einer statutarischen Grundlage (Delegationsnorm) und eines Organisationsreglements. Während im neuen Recht die Delegationskompetenz nun auch ohne statutarische Delegationsnorm vermutet wird, bleibt das Organisationsreglement weiterhin eine zwingende Voraussetzung dafür.

6. Generalversammlung im Ausland

Neu ist es möglich, die Generalversammlung einer Schweizerischen Gesellschaft im Ausland durchzuführen, wenn die Statuten dies vorsehen und in der Einberufung ein unabhängiger Stimmrechtsvertreter bezeichnet wird, wobei die Aktionäre nicht-kotierter Gesellschaften einstimmig auf einen unabhängigen Stimmrechtsvertreters verzichten können

7. Generalversammlung auf elektronischem Weg

Eine Generalversammlung kann neuerdings auch elektronisch abgehalten werden. Auch diese Möglichkeit muss aber in den Statuten vorgesehen sein, ansonsten sie nicht zulässig ist. Für eine elektronisch durchgeführte Generalversammlung muss ebenfalls ein unabhängiger Stimmrechtsvertreter bezeichnet werden, worauf Aktionäre nicht-kotierter Gesellschaften wiederum einstimmig darauf verzichten können.

8. Reduktion zwingender Statuteninhalt

Bestimmungen über die Einberufung der Generalversammlung und das Stimmrecht der Aktionäre sowie über die Organe für die Verwaltung und für die Revision gehören nicht mehr zum zwingenden Inhalt der Statuten.

Für börsenkotierte Gesellschaft sind jedoch zwingend Bestimmungen über die erlaubten Tätigkeiten von Mitgliedern des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung und des Beirates bei anderen Wirtschaftsunternehmen, die maximale Vertragsdauer oder die vertraglichen Kündigungsfristen für Vergütungsverträge, die Grundsätze und Zuständigkeiten des Vergütungsausschusses und die Einzelheiten zur Abstimmung der Generalversammlung über Vergütungen in die Statuten aufzunehmen.

9. Verbindlichkeitskatalog

Der Katalog über Bestimmungen, welche ihre Verbindlichkeit nur mit Aufnahme in die Statuten erlangen (Art. 627 a OR) ist gestrichen worden. Die Voraussetzung, ob eine Bestimmung für deren Verbindlichkeit in die Statuten aufgenommen werden muss, ergab und ergibt sich schon aufgrund der Bestimmungen über die einzelnen Tatbestände aus dem Gesetz. Die Streichung des Kataloges hat daher keine Auswirkung auf die Statuten.

Wir empfehlen, in den nächsten längstens zwei Jahren eine Überprüfung der Statuten vorzunehmen. Dort wo individuelle Regelungen in bestehenden Statuten enthalten sind, sind die Anpassungen auch individuell zu prüfen. In Aktionärsbindungsverträgen finden sich hin und wieder Bezüge zu den Gesellschaftsstatuten, sodass in diesen Fällen wiederum ein allfälliger Anpassungsbedarf abzuklären ist. Dort wo Standard-Statuten (Bsp. Eidg. HR) gelten, kann mit einer Totalrevision unter Verwendung neuer Standard-Statuten eine effiziente und kosten-günstige Anpassung an das neue Recht erfolgen.

Andere prüfenswerte Aspekte

Die Notwendigkeit einer Statutenänderung im Zusammenhang mit der Einführung des neuen Aktienrechtes empfehlen wir zu nutzen, um auch gleichzeitig andere Aspekte zu prüfen:

1. Organisationsreglement bei delegierter Geschäftsführung

Es empfiehlt sich, das Organisationsreglement und dessen Einhaltung periodisch zu überprüfen. Das Reglement stellt einen wesentlichen Teil der Delegationsordnung an die Geschäftsführung dar und ist daher auch für die Verantwortlichkeit des Verwaltungsrates von grosser Bedeutung. Es muss die Geschäftsführung ordnen, die hierfür erforderlichen Stellen bestimmen, deren Aufgaben umschreiben und die Berichterstattung an den Verwaltungsrat regeln. Viele Gesellschaften haben zwar eine (neu nicht mehr nötige) statutarische Delegationsnorm, aber kein taugliches Organisationsreglement.

Es empfiehlt sich daher, die Organisationsgrundlagen immer wieder zu überprüfen und gegebenenfalls das Organisationsreglement anzupassen.

2. Nachweis der Aktionärszusammensetzung

Aus der Praxis hat sich aus mehreren Fällen von Aktientransaktionen, die wir begleiten durften, die Erkenntnis ergeben, dass bei früheren Transaktionen oftmals die notwendigen formalen Voraussetzungen für eine gültige Aktienübertragung nicht immer erfüllt waren.

Ein Aktienverkauf besteht aus einem Verpflichtungs- und einem Verfügungsgeschäft. Das Verfügungsgeschäft beinhaltet die eigentliche Übertragung der Aktie. Jede Aktienübertragung verlangt für ihre Gültigkeit entweder ein gültiges Indossament auf einem physischen Aktientitel / Aktienzertifikat oder eine gültige Abtretungserklärung für jene Aktien, für welche keine Aktientitel ausgegeben worden sind. Bei Namenaktien ist zusätzlich die Eintragung im Aktienbuch / Aktionärsverzeichnis notwendig, um gegenüber der Gesellschaft als Aktionär*in zu gelten. Ohne gültige Übertragung der Aktien können diese von einem vermeintlichen Erwerber auch nicht weiterveräussert wer-den.

Die Übertragungskette muss seit der Gründung lückenlos nachgewiesen werden können, damit sichergestellt werden kann, dass ein Aktienverkäufer auch tatsächlich gültig Aktionär wird. Eine mangelhafte Übertragung in der Kette macht sämtliche danach erfolgten Transaktionen nichtig und kann zu einem umständlichen formellen Nachvollzug der Aktienabtretungen führen. Auch bei Erbgängen werden häufig die Aktionärsverhältnisse nicht bereinigt. Öfters findet man Aktien vor, die von einem Erben vermeintlich aus dem Nachlass übernommen worden sind, deren Übertragung jedoch mangelhaft vollzogen worden ist. Im Rahmen von Erbteilungen sollte auf Aktienüber-tragungen ein besonderes Augenmerk gerichtet werden, damit dies gültig auf die übernehmenden Erben stattfindet.

Bei Aktien, für welche Aktientitel ausgegeben worden sind, braucht es die physischen Titel für die Übertragung. Verloren gegangene Aktientitel müssen gerichtlich amortisiert werden. Häufig haben bei Aktienübertragungen die Verwaltungsräte für fehlende Aktientitel einfach neue erstellt. Dieses Vorgehen ist nicht zulässig und birgt das rechtliche Risiko, dass Aktientitel wieder auftauchen und damit Unklarheiten über die Aktionärseigenschaft besteht.
Es lohnt sich daher, insbesondere auf anstehende Nachfolgeregelungen oder der Aufnahme neuer Geschäftspartner*innen die Aktienübertragungskette zu überprüfen und gegebenenfalls mangelhafte Übertragungen nachzubessern.

Benötigen Sie Unterstützung bei der Prüfung des Anpassungsbedarfs Ihrer Statuten?

Gerne stehen wir Ihnen beratend zur Seite.

Raphael Kissling, Dipl. Wirtschaftsprüfer
Managing Partner
raphael.kissling@treuvision.ch
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